Sie befinden sich hier: Andere Rechtsgebiete

Andere Rechtsgebiete

Hinweise zum Elterngeld, Kinder- und Erziehungsgeld für Ausländer

 ( Stand : Dezember 2006 )

Eine in letzter Minute offenbar durch das Bundesinnenministerium in das Gesetz zum Elterngeld eingefügte Verschärfung sieht vor, dass aus humanitären Gründen dauerhaft in Deutschland bleibeberechtigte Ausländer in vielen Fällen - anders als ursprünglich vorgesehen - doch kein Elterngeld erhalten sollen.

 

Beim Kinder- und Erziehungsgeld und beim Unterhaltsvorschuss wurde der Kreis der anspruchsberechtigen Ausländer zwar gegenüber den bisher geltenden Regelungen erweitert. Ebenso wie beim Elterngeld werden aber auch hier viele der aus humanitären Gründen dauerhaft in Deutschland bleibeberechtigte Ausländer weiterhin in verfassungswidriger Weise ausgeschlossen.

 

Am 29.09.06 hat der Bundestag das entsprechend geänderte Bundeselterngeldgesetz, am 18.10.06 die Änderungen beim Kinder- und Erziehungsgeld und beim Unterhaltsvorschuss in 2. und 3. Lesung verabschiedet. Die Gesetze müssen noch vom Bundesrat bestätigt und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden.

 

Siehe dazu die Beschlussvorlagen zum Elterngeld vom 27.09.06, BT-Drs. 16/2785, sowie zum Kinder- und Erziehungsgeld und zum Unterhaltsvorschuss für Ausländer vom 13.10.06, BT-Drs. 16/2940

 

Die Anspruchsvoraussetzungen für Ausländer wurden in allen Gesetzen wie folgt formuliert:

 

"Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin ist nur anspruchsberechtigt, wenn diese Person

1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt,

2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde

a) nach den §§ 16 oder 17 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,

b) nach § 18 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes erteilt und die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit darf nach der Beschäftigungsverordnung nur für einen bestimmten Höchstzeitraum erteilt werden,

c) nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in ihrem Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,

oder

3. eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und

a) sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und

b) im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt"

 

 

Auf eine Begründung der geplanten verfassungswidrigen Neuregelungen verzichten die genannten Gesetzentwürfe der Einfachheit halber gleich ganz!

 

Die Änderungen beim Kinder- und Erziehungsgeld und beim Unterhaltsvorschuss gelten rückwirkend ab 1.1.2006. Im Falle eines noch nicht entschiedenen Antrags für frühere Zeiträume sollten zudem die rückwirkenden Leistungen auch für Zeiträume vor dem 1.1.2006 erbracht werden.

 

Für alle Familienleistungen gilt künftig

 

1. Generell ausgeschlossen werden Ausländer mit Duldung. oder Aufenthaltsgestattung, Studierende und Auszubildende mit nur zu diesem Zweck erteilter Aufenthaltserlaubnis nach §§ 16, 17 AufenthG. sowie Ausländer mit einen von vorneherein nur zeitlich begrenztem Arbeitsaufenthalt (z.B. als Spezialitätenkoch) nach 18 II AufenthG.

 

2. Ausländer mit einer zu einem anderen Zweck erteilten Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis haben Anspruch auf Familienleistungen, wenn sie derzeit oder früher die Erlaubnis zu einer konkreten Beschäftigung oder allgemein jeder Beschäftigung bzw. Erwerbstätigkeit besitzen bzw. besaßen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn man irgendwann mal gearbeitet hat, dann reicht auch ein nachrangiger Arbeitsmarktzugang. Diese Voraussetzung ist relativ unproblematisch, da sie praktisch immer erfüllt ist.

 

3. Bei einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23a, 24, 25 III-V AufenthG und bei einer Aufenthaltserlaubnis wegen des Krieges im Heimatland nach § 23 I müssen zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sein:

 

ein dreijähriger Mindestaufenthalt (es zählen Zeiten mit Duldung, Aufenthaltsgestattung und Aufenthaltserlaubnis) UND eine derzeitige Erwerbstätigkeit, ALG I-Bezug oder eine vom Arbeitgeber gewährtze Elternzeit (Erziehungsurlaub).

 

Was eine "Erwerbstätigkeit" ist, lässt der Gesetzgeber offen, zumal er auf eine Begründung verzichtet hat. Theoretisch müsste es reichen, 2 Stunden im Monat Putzen zu gehen... Es bleibt abzuwarten, wie Behörden und Gerichte die Regelung auslegen werden.

 

Einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 I wird in der Praxis regelmäßig nur nach Beschlüssen der Innenministerkonferenz wegen langjährigen Aufenthaltes erteilt, nicht aber wegen des Krieges im Heimatland. Bei einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 I müssen daher die unter 3. genannten zusätzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt werden, ebenso auch nicht bei einer nach einem anderen § erteilten Aufenthaltserlaubnis.

 

Die unter 3. genannten zusätzlichen Voraussetzungen halten wir für verfassungswidrig. Im Falle eines auch nach neuer Gesetzesfassung geltende Ausschlusses für Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen sind daher anwaltliche Beratung, Einspruch bzw. Widerspruch und Klage zu empfehlen.

 

Aufgrund von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes darf Ausländern mit humanitärem Bleiberecht das Kinder- und Erziehungsgeld aus Gründen der Gleichbehandlung nicht vorenthalten werden. Das Verfassungsgericht hatte den Gesetzgeber bereits Ende 2004 aufgefordert, bis zum 1.1.2006 eine gesetzliche Neuregelung zu schaffen, vgl.

www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg04-111.html

und

www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg04-116.html

 

Die Bundesregierung hatte daher Anfang 2006 Gesetzentwürfe vorgelegt, die die Regelungen zu den Familienleistungen für Ausländer entsprechend der Vorgaben des BVerfG gestalten sollten, vgl. BT-Drs 16/1368 (Kinder- und Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss) sowie BT-Drs 16/1889 (Elterngeld). Diese wurde jetzt aber wie oben aufgeführt geändert.

 

Die Regelungen wurden anlässlich der Abstimmung im Bundestag über das Kinder- und Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss für Ausländer (BT-Drs. 16/2940) in Änderungsanträgen von FDP (BT-Drs 16/3029) und Linkspartei (BT-Drs 16/3030) als verfassungsrechtlich problematisch kritisiert.

 

Ansprüche von Ausländern müssen nunmehr erforderlichenfalls erneut beim Verfassungsgericht eingeklagt werden. Wer durch die beabsichtigte Neuregelung weiterhin von Familienleistungen ausgeschlossen wird, sollte sich daher um anwaltlichen Beistand bemühen, um seine Ansprüche vor Gericht durchzusetzen.


Die vorstehende Darstellung zum Elterngeld/Erziehungsgeld/Kindergeld wurde uns von Georg Classen vom Flüchtlingsrat Berlin über den Initiativausschuß Migrationspolitik Rheinland-Pfalz am 17.11.06  (Roland Graßhoff) übermittelt. Nähere Einzelheiten über den Link zum Flüchtlingsrat Berlin.                                                                                                 Otto Jaenisch